Kohl- Köpfe voller Genuss
Wusste man schon anno dazumal, dass das edle Blattgemüse schonend behandelt werden will, um seine wertvollen Inhaltsstoffe nicht einzubüßen.
So empfahl der griechische Arzt Dioscur bereits im 1. Jahrhundert allen Kohl-Fans, ihre Leckerbissen ,,nur heißzumachen und nicht lange oder garzweimal zu kochen“. Leider konnte sich Dioscur’s Küchentipp nicht durchsetzen.
Im Gegenteil: Jahrhundertelang wurde das köstliche Gemüse sprichwörtlich ,,zu Tode gekocht“ – was ihm schließlich einen erheblichen Imageverlust einbrachte.
Denn einerseits sieht zerkochter Kohl nicht gerade appetitlich aus und andererseits gehen viele der lebenswichtigen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente bei der herkömmlichen Zubereitung regelrecht ,,baden“. Zudem passt es ihm ganz und gar nicht, mit reichlich fettigem Speck oder Schmalz serviert zu werden, leider war es hierzulande allzu lange ,,gute“ alte Tradition.
Gemüse mit Köpfchen: Von Blumenkohl bis Kohlrabi
Ganz schön groß ist sie geworden, die Kohlfamilie.
Und jedes der zahlreichen Familienmitglieder hat seine
speziellen Eigenschaften.
Die einen sind regelrechte Dickköpfe, die anderen etwas
zarter besaitet; manche schmecken deftig, anderen
wiederum fehlt der typische ,,Kohl-Geschmack“.
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Von den meisten Kohltypen wandern die Blätter in den Kochtopf, von anderen wiederum die Blüten (Broccoli, Blumenkohl), der verdickte Stängel (Kohlrabi) oder die Seitensprossen (Rosenkohl).
Hohlköpfe sind sie jedoch alle nicht, denn in ihnen steckt eine Menge Gesundes: viele wertvolle Vitamine, Spurenelemente, Mineral- und Ballaststoffe, die uns helfen, gut ,,über den Winter zu kommen“.
Dabei enthalten sie nur wenige Kalorien – ideal für die schlanke Linie. Und noch etwas haben die Kohltypen gemeinsam: Sie lassen sich im Prinzip überall in deutschen Landen anbauen.
Der Boden muss nur genug Nährstoffe enthalten, denn Kohl gehört zu den sogenannten ,,Stark zehrern“.
Einer der ersten Vertreter der Kohlfamilie war der Blumenkohl. Als er im 2. Jahrhundert aus Kreta und Zypern zu uns kam, war er kaum größer als ein Tennisball. Seine vollendete, ästhetische Form, die ihm auch zu seinem Namen verhalf, hat er mehreren Züchtungserfolgen in den letzten 200 Jahren zu verdanken. Blumenkohl liebt es windig. Denn da seine Haube sich üppigen Blattwerks erfreut, bleibt dort auch viel Feuchtigkeit hängen. Wird sie nicht ständig ,,trockengefönt“, gibt es rasch Stockflecken.
Deutscher Blumenkohl hat von Mitte Juni bis Ende November Saison, im Winter und im Frühjahr kommen Sorten aus der Bretagne und aus Italien bei uns auf den Markt.
Der engste Verwandte des Blumenkohls ist der Broccoli, den es im 18. Jahrhundert aus Zypern in hiesige Gefilde trieb und der hierzulande anfangs ,,Bröckelkohl“ genannt wurde. Und da er geschmacklich dem Spargel ähnelt, ging er zu Beginn dieses Jahrhunderts als ,,Spargelkohl“ in deutsche Kochbücher ein. In der Tat lässt er sich genauso wie Spargel hervorragend mit ein wenig zerlassener Butter und Holländischer Sauce kombinieren. Ob grün, blau, violett oder rot, groß- oder kleinblumig alle ,,Broccolis“ sind dufte Typen.
Und sie geben abwechselnd das ganze Jahr über ihr Stell dich ein auf den Märkten.
Der heute gängige Name kommt aus dem Italienischen, wobei ,,brocco“ übersetzt ,,Sprössling“ heißt. Der asiatische Urahn in der Kohl-Dynastie ist der Chinakohl, der seit über zweitausend Jahren als ,,Zahn vom weißen Drachen“ oder ,,Pe-Tsai“ auf der chinesischen Speisekarte steht. Seit einigen Jahren wird er auch bei uns in zwei Varianten angeboten: als langer und als gedrungener, rundlicher Typ, wobei letzterer mehr Blattvolumen und einen geringeren Strunk- Anteil aufweist.
Chinakohl ist eine zarte Delikatesse, die gar nicht ,,kohlig“ schmeckt. Er ist rasch zubereitet – egal, ob man ihn dünstet, schmort oder einfach roh als Salat anmacht. Und ihn gibt es das ganze Jahr über zu erstehen.
Zunächst gar nicht als Leckerbissen anerkannt war der Grünkohl, der hierzulande bis vor gut einem Jahrhundert lediglich ein stilles Dasein als Zierpflanze führte. Sein zweiter Name ,,Krauskohl“ ist jedoch ein wenig verwirrend, denn nicht alle Arten haben gekräuselte Blätter. Ein Merkmal von Grünkohl: Er lässt sich auch von extrem niedrigen Temperaturen nicht aus der Fassung bringen. ,,Grünkohl braucht Frost“, sagt der Volksmund. Da ist was dran: Wenn es friert, wandelt sich ein Teil der in seinen Blättern enthaltenen Stärke in Zucker um; der Grünkohl schmeckt milder.
Von Rosenkohl bis Wirsing
Die Kohlfamilie hat einen Nachkömmling, der nicht nur der jüngste, sondern auch der kleinste und zarteste ist: der Rosenkohl. Sein Debüt gab er vor etwa 150 Jahren auf den fruchtbaren Feldern Belgiens, weshalb er auch ,,Brüsseler Kohl“ oder auf Französisch ,,Chou de Bruxelles“ genannt wird. Die kleinen Kohlröschen wachsen an langen, holzigen Stielen und werden recht jung geerntet. Gelbe, welke Exemplare sollten Sie nicht kaufen, denn sie haben viel an Vitaminen und Geschmack eingebüßt.
Die Röschen werden gerade solange gegart, dass sie noch fest sind und ,, Biss“ haben. Besonders gut fühlen sie sich in der Gesellschaft von Muskat, Pfeffer, Zitronensaft oder geriebenem Käse.
Ein weiterer ,,knackiger“ Kohltyp ist der Rotkohl. Er wird fast immer frisch geerntet angeboten, da die frühe Sorte von Mai bis Juni, die mittelfrühe von Juli bis Oktober und die späte Sorte von November bis Dezember gedeiht.
Auch für ihn gibt’s mehrere Namen: Einst hieß er Blaukraut, heute wird er in Süddeutschland Rotkraut und im Rheinland Roter Kappes genannt. Seine bläulich-rote Farbe hat er jahrelanger Züchtung zu verdanken. Was sein ,,Innenleben“ angeht, so strotzt er regelrecht vor Vitamin C und ist zudem reich an Eisen. Fast das ganze Jahr über trifft man ihn auf dem Markt an, wobei sich frühe, mittelfrühe und späte Sorten abwechseln.
Ob mit Erdbeeressig gedünstet oder in Rotwein geschmort: Rotkohl schmeichelt dem Gaumen.
Auch den Weißkohl gibt es in verschiedenen Varianten ganzjährig zu kaufen: im Frühjahr als Spitzkohl, im Sommer als rundköpfigen Typ und im Winter als Winterweißkohl. Es sind zum Teil recht stattliche Burschen, die da auf unseren Kohlfeldern heranwachsen: ,,pfundige“ Kohlköpfe bringen immerhin einige Kilogramm auf die Waage.
Weißkohl ist ebenfalls reich an Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen. Besonders hoch ist sein Natriumgehalt, daher sollte er nur sparsam gesalzen werden.
Im Gegensatz zu seinem ,,grünen“ Bruder will Weißkohl mit Frost und Kälte nichts zu tun haben. Stichtag ist daher Buß- und Bettag: Dann müssen alle runden Köpfe vom Feld sein. Die meisten – etwa 60 Prozent-landen in der Sauerkrautfabrik, der Rest wird in großen Kühlhäusern gelagert.
Apropos Sauerkraut: Von seiner Herstellung haben schon die alten Römer berichtet. Und seit damals hat sich nichts Wesentliches an der Herstellungsmethode geändert.
Noch heute wird der Weißkohl dazu geputzt kleingeschnitten, mit Salz versetzt, in einen Gärbottich gegeben, dort unter Druck gesetzt und gepresst. In dem dabei austretenden Zellsaft vermehren sich Milchsäurebakterien und bringen den Weißkohl zum Gären – was ihn recht sauer stimmt. Der Gärprozess dauert zehn bis zwölf Tage.
Und last, but not least ist da noch der krause Bruder des Weißkohls: der Wirsing.
Je nach Sorte ist er platt oder rund, gelb oder dunkelgrün. Ob Sommer- oder Winterwirsing- man kann es kaum unterscheiden. Letzterer schmeckt allerdings etwas würziger. Früher trug der Wirsing den noblen Namen ,,Savoyer Kohl“, denn er kam im 18. Jahrhundert aus Oberitalien zu uns – und das stand damals unter der Herrschaft der Savoyer. Hierzulande wurde er jedoch nicht gerade vornehm behandelt: Fast zwei Jahrhunderte lang ,,zerkochte“ man ihn zu Eintopf. Erst die moderne leichte Küche hat ihn wieder zum feinen Gemüse erkoren. Profi-Köche gehen heute schonend mit ihm um und verwenden seine Blätter in der Haute Cuisine zum Beispiel als ,,Mantel“ für zarte Filets und Farcen. Übrigens: Wirsing ist dann ganz frisch, wenn er beim Schütteln rasselt.